Für eine Hochzeit in Bangalore hatte ich mir eigentlich schon zu Hause so einiges genäht. Wir sind 2 Tage vor der Feier in Indien angekommen und haben noch ein bischen Sightseeing gemacht. Während dessen konnte ich nicht widerstehen, mir einen Sari nähen zu lassen… egal, dass ich ein Kleid dabei hatte, so einen Sari kann man auch nur einmal im Leben anziehen. 🙂
Ich hatte irgendwie nicht erwartet, dass das Stadtbild so unglaublich bunt sein würde, in Indien. Natürlich ist grade der Süden Indien für seine Seiden bekannt. Aber, dass die Frauen diese tollen bunten Stoffe immerzu tragen, hatte ich nicht erwartet… Die Inderinnen tragen entweder ein halblanges Kleid mit Hosen darunter, den Salwar Kameez, oder eben Sari. Wir haben sogar Frauen beim Strassenbau gesehen, die dort mit dem Sari arbeiten. Das war wohl eher ein Sari aus Baumwolle, aber immerhin. Oder auch auf dem Feld und bei der Ernte, alles im langen Kleid.
Manchmal wird ein einfaches T-Shirt unter dem Sari getragen, sehr häufig jedoch ist es eine farblich passende Bluse. Erstaunlicherweise ist diese Bluse recht kurz, sie endet schon direkt unter der Brust, so dass jede Frau, egal wie dick oder dünn, alt oder jung, relativ „freizügig“ ihre Körpermitte zeigt.
Man kann mit dem langen Ende des Sari, den man sich über die Schulter fallen läßt, noch recht viel hinten kaschieren, aber es ist ein ewiges Gezuppel. Und was ich den Knaller fand, die Frauen sitzen in íhrem Sari im Damensitz auf den Vespas hinten drauf. Da sieht man auch, wenn man genau guckt, wie kurz die orange Bluse mit den weißen Punkten ist.
Hier ist noch so eine Balancekünstlerin. Als ich meinen Sari trug, fand ich es schon schwierig, mich mit dem langen Seidenende und dem langen Rock ins Taxi zu setzen. Man sieht, es ist halt alles eine Frage der Gewöhnung.
Unser erster Tag in Bangalore fing auf der MG Road an, die eine berühmte Einkaufststrasse und Flaniermeile ist. Wir verließen uns auf unseren Taxifahrer, der meinte „so, wie sind dann jetzt da“. Aber, als wir ausstiegen, waren wir komplett verloren. Hinterher stellte sich heraus, dass er uns einfach an einer falschen Stelle raussetzte, aber so etwas weiß man nicht, wenn man neu in der Stadt ist. Da standen wir nun und hatten es wahrscheinlich in großen Leuchtbuchstaben auf der Stirn: „unwissende Touristen“.
Es sprachen uns direkt viele Händler an, so dass wir schon leicht genervt waren, dann aber auch ein freundlicher und unaufdringlicher Rikschafahrer. Sein Angebot: 30 Minuten Rundfahrt, 3 Sehenswürdigkeiten, 50 Rupien. Das sind ca 60 Cent – da konnten wir echt nicht nein sagen.
Also, hineingesprungen in unsere erste Motorrad-Rikschafahrt. Echt ein Erlebnis für sich, aber einfach toll. So kriegt man die Stadt hautnah mit.
Er kurvte mit uns herum, bis wir auf den Gedanken kamen, ihn zu bitten, zu einem Seidenhändler zu fahren. Und so würde ich es jedem empfehlen. Einfach den nächsten Rikschafahrer ansprechen, die haben echt gute Tipps.
Er fuhr uns zu Sri Manjunatha Silk Udyog, und ich war sehr begeistert. Das wirklich Schöne an dem Laden war, dass sie tatsächlich zuhörten, was ich sagte und nicht einfach über mich drüber redeten (nachdem wir später noch in anderen Geschäften waren, weiß ich das erst zu schätzen)
Wir waren die einzigen Touristen in dem Laden und wurden, noch bevor wir irgend etwas sagen konnten, direkt in die erste Etage gelotst. Alle anderen saßen unten, da war ein echtes Gewühl. Mit uns hoffte man Anfangs noch, richtig Umsatz machen zu können, daher die obere Etage mit den teuren Seiden.
Als wir dann erzählten, dass wir für eine indische Hochzeit einen Sari brauchen, sind sie vor Freude ausgeflippt. Erzählten sich das einander und warfen immer mehr Stoffe auf den Verkaufstisch, so dass ich mir davon was aussuchen kann.
Das ist auch so eine indische Eigenart, an die wir Deutsche uns erst gewöhnen müssen. Interessierten Kunden wird alles aus den Regalen gerissen und vorgelegt. Zurückhaltung und das Deuten auf einzelne, eventuell interessante Stoffe im Regal, das kennen die dort nicht. Uns war das Anfangs total peinlich, dass wir vor einem riesigen Haufen Seide sitzen und die dann jemand wieder zusammen legen soll. So ist es aber dort in jedem Laden, man gewöhnt sich dran 🙂
Unseren Verkäufer konnte ich recht schnell überzeugen davon, dass ich nicht diese super-teure Seide will. Wir wurden dann nach unten zum „normalen Volk“ geleitet. Da saßen echt alle. Töchterchen, die genervt auf die Stoffe starrt und von Mama was ausgesucht bekommt. Ein Ehepaar, die zusammen begeistert in Seiden wühlen. Es war so interessant, aber ich wollte ja auch eine Seide aussuchen.
Und ehe ich etwas dagegen tun konnte, wurde auch hier der Verkaufstisch mit Seiden voll geschmissen. Immer nach dem Motto, dass irgendetwas schon ins Auge der Kundin springen wird, so dass sie kauft. Ich hätte gerne mehr gesehen, mehr angefasst, mehr verglichen. Aber ich hielt dem erwartungsfreudigen Druck des Verkäufers nicht stand, der ja auch nicht stundenlang mit mir zubringen kann. Die gold-grüne Seide war es dann recht schnell, die ich mir aussuchte.
Alle anderen Stoffe wurden von fleißigen Angestellten (und nicht nur den Frauen, wie woanders oft der Fall, sondern auch von jungen männlichen Angestellten), wieder zusammen gelegt.
Dann wurde ein Schneidermeister herbeigeholt, der mich vermaß. Das ging total schnell und eigentlich auch recht oberflächlich. Alles über der eigentlichen Kleidung, die ich trug. Ich fragte mich schon, wie das Endergebnis wohl aussehen solle, nach dem Maß nehmen. Aber, abwarten. Eine Verkäuferin fragte noch nach der Länge der Bluse… guuuute Frage in diesem Moment, denn ich wollte eine lange „you don’t want to show your belly“ Fragte sie mit einem Grinsen… Nein! ganz sicher nicht 🙂
Wir vereinbarten also das Nähen eines Saris, über Nacht ! Denn ich brauchte das gute Stück tatsächlich am folgenden Tag. Die Lieferung mußten sie ebenfalls organisieren, da unser Hotel zu weit weg war, als dass ich zur Abholung selber hätte kommen können. Letztlich bezahlte ich für das alles 5.700 Rupien, ca 73 Euro… Da fing ich auch nicht mehr an zu handeln, der Preis läßt sich nicht verhandeln.
Am nächsten Tag pünktlich kam die Lieferung. Die Sari-Seide ist immer schon so bedruckt, dass man mit einem einzigen langen Stück Seide alles schneidern kann. Der obere Teil ist zurückhaltend gemustert für die Bluse, der andere Teil ist der eigentliche Sari. Ebenfalls dazu gehört ein Unterrock aus Baumwolle, damit man nicht irgendwann nackig dasteht, falls irgendwas aufgeht.
Und hier liegt dann das gute Stück, die Bluse in Touristinnen-extra-lang (geht bis kurz vor den Bauchnabel, auch nicht wirklich „lang“), der Baumwoll – Unterrock mit oben einem Tunnel und Band, damit man ihn variabel einstellen kann, und der Sari.
Und dann kam die Überraschung – ich habe eine Touristenversion eines Saris bekommen. Ich muß ihn vor dem Bauch nicht extra in Falten legen, das wurde bereits mit eingearbeitet, so dass man beim Anziehen nicht mehr viel falsch machen kann.
Ich hab es trotzdem nicht beim ersten Mal geschafft, mich da ordentlich einzuwickeln. Eine befreundete Inderin, die auch Gast bei der Hochzeit sein sollte, half mir, ihn anzuziehen. Sie lachte, als sie die eingenähten Falten und den Gummizug vorne im Bund sah. Sie sagte, so etwas näht man für die kleinen Mädchen, damit der Sari einfach sitzt. Ich fand es eine tolle Idee, dass auch für Touristinnen so zu nähen 🙂
Einmal eingewickelt, wird die restliche Stoffbahn in gleichmäßige Falten gelegt und auf der Schulter mit einen Sicherheitsnadel festgesteckt. Dann hat man nach hinten über den Rücken noch eine lange Stoffbahn runterhängen, die über dem rechten Arm getragen werden kann. Sie kann natürlich auch hinten runterhängen, aber beim Sitzen, oder auch beim ins-Taxi-steigen stört das dann.
Hier sieht man vorne die Faltenlegung. „Eigentlich“ ist da nichts fest genähtes. Das wird per Hand beim Anziehen in Falten gelegt und dann vorne in den Bund gestopft. Ich wundere mich sehr, dass das immer so hält. Aber es scheint ja zu funktionieren.
Mein Sari ist etwas zu kurz geraten. Der Schneider vermaß auch nicht die Beinlänge und verschätzte sich dann. Ich war eigentlich ganz froh, dass mein Kleid nicht so lang geworden ist, wie es eigentlich sein muß, denn dann schleift die schöne Seide nur über den Boden. Und Außerhalb von Häusern ist es in Bangalore einfach nur dreckig.
Und hier nochmal die Rückenansicht, mit der langen Bluse 🙂
Die Rikscha-Taxis haben wir an dem Tag mal nicht genutzt. Ich wollte gerne ein Gefährt mit Türen für meinen tollen neuen Sari, damit da auch keine Seide irgendwo rausflattert.
Alles in allem: Wer nach Indien fährt, sollte wirklich dort kaufen. Auch Kurtas für Männer werden über Nacht geschneidert und sind vergleichsweise wirklich sehr günstig. Ich wollte erst nicht glauben, dass ich in weniger als 24 h meine Hochzeitsgarderobe dort noch schneidern lassen kann. Aber, die Inder machen wirklich vieles möglich. Klar, das schlechte Gewissen schlug. Denn irgend jemand legte dort für mich eine Nachschicht ein und wird, für unser Denken, nicht wirklich gut dafür bezahlt. Aber Indien tickt komplett anders in dieser Hinsicht. Und wir haben die marktüblichen Preise bezahlt. Zumindest das.
Alles selbst gekauft, genannte Markennamen dienen nur der Orientierung und stellen keine fremdfinanzierte Werbung dar.
[…] Weitere Fotos unserer Reise durch den Süden des Bundesstaates Karnataka findet Ihr bei Flickr im Album Indien. Und wenn Ihr wissen wollt, wie man sich in Indien an einen echten Sari oder eine Kurta schneidern lässt, dann schaut bei made-in-minga.de vorbei: Ein Sari aus Indien […]
Hallo danke für den hilfreichen Bericht.Ich habe es nicht ganz glauben wollen, aber nun bin ich sehr beruhigt, daß ich meinen Hochzeit Sari in Kolkatta schnell bekommen werde. Liebe Grüße
Liebe Sabine, ich drück die Daumen. Viel Spaß!! 🙂